Aggression ist gemeinhin eher böse und schlecht. Als Thanatos‘ geheime Mitspielerin wirkt sie auf den ersten Blick zerstörerisch. Man bringt sie in Zusammenhang mit Frustrationen und negativen Emotionen und Reizen, auf die sie destruktiv reagiert. Wer allerdings unter ihre Oberfläche schaut, erkennt in der aggressiven Erregung durchaus auch einen Motor, der die notwendige Energie für die Umsetzung von Zielen oder das Überwinden von Hindernissen freisetzt. Über all dies wurden bereits etliche Bücher und Beiträge geschrieben. Es bedarf von daher keiner weiteren laienhaften Ergänzung dazu. Alles was es über die Aggression zu sagen gibt, wird bereits gewusst.
Tatsache ist, dass die Aggression, bei allem Nutzen, den sie uns bringt, dennoch überwiegend problematisch auf unsere Lebenssituation einwirkt, zumindest gefühlt. Sie tendiert dazu, sich negativ zu verstärken, wenn wir uns nicht anschauen, weshalb sie uns geschieht. Wie alles im Leben, so reizt auch die Aggression natürlicherweise unser ganz persönliches Potential und rechtfertigt damit ihre Existenz bzw. Bedeutung. Auf welche Weise auch immer sie agiert und worauf sie abzielen mag, sie trägt Wahrheit in sich und nur wenn diese Wahrheit aufgedeckt wird, kann Mensch frei von rein negativ konnotierter Aggression werden.
Dieses Buch stellt beispielhaft einen individuellen Weg vor, der zu deiner ganz persönlichen Wahrheit führen kann. Aggression muss zuerst einmal identifiziert und bis in die tiefste Tiefe aufgedeckt werden, damit Auflösung möglich wird. Manches was hier beschrieben wird, kann auf dich zutreffen, manches nicht. Wenn es dich dazu anregt, weiter nach deinem ganz persönlichen Aggressionsschema auf die Suche zu gehen, hat das Buch seinen Sinn erfüllt. Trotz aller Unterschiede wirst du am Ende feststellen, dass eines jedoch für alle gilt und dass es das ist, was die tiefste Wurzel allen Übels ausmacht.
DER BLICK HINTER DIE KULISSEN
Wahrheit kann nur durch Hinterfragen gefunden werden. Und das muss ehrlich geschehen, radikal und unnachgiebig. Der Weg zu ihr kann manchmal schmerzhaft sein oder beschwerlich und unschön werden. Leider neigt Mensch dann dazu, lieber wegzuschauen und sich umzudrehen. Dass er folglich stagniert, nimmt er in Kauf bzw. ist ihm nicht bewusst. Das Erkennen, dass du ganz schön viel mit deiner Lebenssituation zu tun hast, tritt oftmals erst durch eine Therapie ein, wenn das Leben dir eine Krise schickt. Doch weil jeder Mensch auf seine ganz eigene Weise wahrnimmt, muss Lernen nicht immer im persönlichen Austausch stattfinden. Manchmal wirken entsprechende Bücher, Beiträge oder Filme und Dokus nachhaltiger, die heutzutage auf diversen Kanälen und alternativen Plattformen zu finden sind.
Wenn du hinterfragst, in welchen Momenten sich Aggression zeigt und dir anschaust, was da genau vor sich geht, können zum Beispiel die folgend aufgeführten Themen auftauchen. Es geht also um das Beobachten der inneren Vorgänge und um das Aufdecken der Wahrheiten und Intentionen, die in ihnen verborgen sind. Im besten Fall lässt sich ein Potential in ihnen entdecken, das du für dich nützlich machen kannst.
ES LÄUFT NICHT SO WIE DU WILLST
Der Mensch hat nicht ein Ego, sondern er ist das Ego. Ego ist also ein Synonym für Mensch. Was den Menschen ausmacht, ist sein Wille, der sich ganz individuell vom Willen anderer unterscheidet. Ist der Mensch nicht in ein Glaubensschema eingebettet, dann existiert im Grunde kein übergeordneter autoritärer Wille. Ist er hingegen gottesgläubig, so scheint sein Wille vom Gotteswillen getrennt zu sein und wird so zum Eigenwillen. Im erfahrenden Leben macht dies allerdings kaum einen Unterschied, weil Mensch nur (im Sinne von ausschließlich) egozentrisch handeln kann. Ein Korrektiv nach der Frage von „richtig“ oder „falsch“ ist üblicherweise erst im Nachhinein wirksam, wenn Mensch schon entschieden hat.
Der Eigenwille ist grundsätzlich von Aggression motiviert. Sie ist der Motor, der den Willen zur Umsetzung bringt. Wille und Aggression sind also Eins und können nur gemeinsam als Ego auftreten. In welche Richtung die Aggression des Egos tendiert, kann völlig unterschiedlich sein; je nachdem, welches Thema gewollt wird und ob sich Hindernisse bei der Zielerreichung auftun oder nicht. So zeigt sich die Aggression also ganz individuell je nach Geschehen. Sie ist nicht statisch, sondern im Hintergrund fließend mal positiv, mal zerstörerisch wirksam, wenn wir das bewerten wollen.
Unterhalb von Aggression und Wille liegt die Gier im Verborgenen. Kaum jemand gibt gerne zu, gierig zu sein. Doch Gier ist die Ursache jeder Sucht und jedes Strebens nach Mehr. Egal worum es sich dreht, es geht immer ums Haben-Wollen. Die christliche Perspektive ordnet die Habgier den Todsünden zu. Sie wird also negativ bewertet. In der Tat kann die Gier als maßlos bezeichnet werden, weil sie eben kein Maß kennt. Sie ist immer ein wenig „drüber“ und bringt so das menschliche System ins Wanken. Durch die Unausgewogenheit entstehen dann auf materieller Ebene Krankheiten, die zur Selbstbeschau anregen wollen. In dir gierige Tendenzen aufzudecken und dadurch abzulösen, kann also ein direkter Weg zur psychischen und körperlichen Gesundung sein. Nicht umsonst spricht man vom „gesunden“ Maß.
Ebenfalls aggressiv setzt sich das Streben nach Macht durch. Machtausübung wird durch korruptive gesellschaftliche Systeme und korrumpierbare Mitmenschen unterstützt. Nichts Geringeres, als der Wunsch nach „Mein Wille geschehe“ soll sich erfüllen. Wer Macht hat, hat gleichzeitig die Kontrolle über alles was geschieht und weil der Machthaber gleichzeitig Rechthaber ist, kann alles andere automatisch nur falsch sein. Die krankhafte Hybris entstammt einem aus der Balance gekommenem Eigenwillen. Nicht selten verbirgt sich dahinter ein sich klein fühlendes Ego, das Angst hat, zu kurz zu kommen. Wenn der Wunsch nach Kontrolle den Menschen unbewusst lenkt, wird die Stärke des Angstgefühls zum Indikator.
HINDERNISSE SIND DIR IM WEG
Der Aggressionspegel dürfte ebenfalls deutlich über Normalwert liegen, wenn eine stringente Zielorientierung und eine hohe Erwartung nach Wunscherfüllung ein Menschenleben dominieren. Je unfreier menschliches Handeln geschieht, desto schneller und ausgeprägter kann ein Abweichen vom Plan Aggression freisetzen. Fehlende Flexibilität nährt automatisch das Aggressionspotential, weil sie eine notwendige Anpassung zunichte macht bzw. nicht entstehen lässt. Das aggressive Ego kann nur asozial handeln, während eine ausgewogene Anpassungsleistung das Motto eines friedfertigen, entspannten Lebens ist.
Das Menschenleben ist ein Prozess, der Lernen als Grundprinzip hat. Zum Leidwesen des Menschen verläuft der Weg dabei nicht immer nur geradlinig nach vorne gerichtet. Doch erst Gabelungen und Möglichkeiten, die sich durch sie auftun, setzen Potential frei, das die Kraft zur Bewältigung von Hindernissen bereitstellt. Ein Leben, das vollständig in vorgezeichneten Bahnen verläuft, kann sicher mit Erfolgserlebnissen glänzen, aber ob es am Ende an reeller Weisheit gewonnen hat, darf in Frage gestellt werden.
Als Hindernis kann alles definiert werden, was sich an Problemen im Leben auftut. Es sind all die Dinge, die nicht auf Anhieb zu funktionieren scheinen oder nicht möglich sind. Also Träume, die nicht in Erfüllung gehen, und Vorstellungen, die nicht (nach Plan) umgesetzt werden können. Unter der Aggression, die sich dann auftut, liegen Enttäuschung, Wut und Zorn, die Widerstände und Blockaden aufbauen. Je geringer dabei die Frustrationstoleranz, desto höher bzw. ausgeprägter die Aggression. Gewalt ist ihre höchste Form und führt zur Entladung und damit Entlastung.
Der Umgang mit Hindernissen kann nur der sein, dass man sie als dem Leben zugehörig akzeptiert. Es ist das Verstehen, dass Mensch nicht am längeren Hebel sitzt, sondern dass das Leben ein Wörtchen mitredet bei seiner Gestaltung. Ob du ihm den Namen Gott gibst, Gotteswille, Höhere Macht, Energie oder Lebensgesetz, ist dabei gleichgültig. Allein die Tatsache, dass dir nicht alles im Leben gelingt, dass eben nicht alles reibungslos nach deinem Wunsch läuft, sollte ausreichen, in dir eine gewisse Demut entstehen zu lassen. Egal an was du glaubst oder nicht glaubst: Dein Leben ist niemals perfekt. Und genau weil es das nicht ist, ist das der Beweis dafür, dass du es als Mensch nicht in allerletzter Konsequenz in der Hand hast. Aggression wird im Keim erstickt, wenn diese Tatsache wirklich verstanden wird.
DU KANNST DICH NICHT DURCHSETZEN
Fehlende Durchsetzungskraft bringt oft ein (unbewusstes) Gefühl von Versagen mit sich, das nicht nur depressiv, sondern auch aggressiv machen kann. Um das Versagensgefühl kompensieren zu können, wird die Aggression meistens gegen einen vermeintlichen Aggressor gerichtet, der im Außen gesucht wird. Dem fremden Auslöser wird dann die Schuld in die Schuhe geschoben, wenn etwas nicht nach den eigenen Vorstellungen läuft. Die zugrunde liegende Autoaggression wird nur in wenigen Fällen bewusst gemacht. Die Wahrheit ist, dass Aggression in erster Linie immer den Aggressiven selbst schädigt und nicht seine Projektion.
Nicht „nein sagen“ und keine psychischen Grenzen setzen zu können, sind Mechanismen, die durchweg selbstschädigend sind. Dazu gehört auch die Unfähigkeit, konsequent zu sein und entschieden bzw. rechtzeitig reagieren zu können. Manchmal werden solche Menschen als Gut-Menschen bezeichnet und nicht selten gefallen sich die Betroffenen selbst in dieser Rolle. Sie hat etwas Aufopferndes und stellt eine Hilfsbereitschaft zur Schau, die nicht unbedingt bedingungslos sein muss; denn wäre sie es, gäbe es kein (auto-aggressives) Leiden.
Der Leidtragende muss ganz klar erkennen, dass er seine Inkonsequenz der eigenen Bequemlichkeit zu verdanken hat. Niemand im Außen kann dafür verantwortlich gemacht werden, wenn dir Dinge zu anstrengend sind oder du zu bequem bist, die Anstrengung zu leisten, die das Nein-Sagen mit sich bringen kann. Nicht diszipliniert zu sein und die Ursachen für Aggression kleinzureden oder sich in der Opferrolle zu verkriechen, schützt nicht vor aggressiver Entladung. Das klingt radikal und wenig mitfühlend, aber es ist vielleicht das, was du dann brauchst um aufzuwachen. In dem Moment, wo du das Leid eines anderen schwächen willst, bist du dabei dir dein eigenes zu schaffen. Das gleiche gilt für den Fall, wenn du beim anderen gut dastehen willst, was dich automatisch „neben dir“ stehen lässt. Dass damit nicht gemeint ist, andere in der Not im Stich zu lassen, sollte klar sein.
Wie schwer dir das Ganze auch immer fallen mag, es enthebt dich nicht von der Verantwortung, dir deines psychischen Programms, das dich zu dieser Handlung treibt, bewusst zu machen. Das Setzen von Grenzen ist quasi lebensnotwendig und es muss jedem erwachsenen Menschen demütig klar sein, dass er für sein eigenes Seelenheil verantwortlich ist. Aufopferung, Ausbeutung, Benutzung oder emotionaler Missbrauch können nur stattfinden, wenn du es zulässt (Kinder natürlich ausgenommen!)
Sich durchsetzen zu können bedeutet nicht gleich Egoismus oder Brutalität. Einen Menschen, dem es gelingt für sich einzustehen, schlecht zu machen, kann nur zu einer kurzfristigen Verbesserung des eigenen Selbstbildes führen. Diese kindisch-trotzige Reaktion bestätigt lediglich die unreife Persönlichkeit des Verantwortungslosen. Für sich selbst verantwortlich zu sein macht es ganz natürlich notwendig, dass jeder einzelne darauf achtet, dass das, was er tut oder tun soll, mit seinem Gefühl von Stimmigkeit übereinstimmt.
Etwas gegen seinen Willen zu tun, setzt automatisch Aggression frei. Gleiches gilt, wenn man eine Aufgabe hat, die man nicht freudig erfüllt, sondern nur zwangsweise. Dass jedoch eine vertragliche Vereinbarung (zur Leistung) (z.B. Arbeitsvertrag) nicht immer nur das bereitstellen kann, was Spaß macht, ist selbstverständlich zu akzeptieren, denn man wird ja schließlich dafür „be-lohnt“. Wenn der Betroffene jedoch nicht in der Lage ist, seine Situation ohne inneren Widerstand vollständig anzunehmen, ist auf Dauer eine Trennung unvermeidlich. Jede glückliche Beziehung, gleich welcher Art, hat die Freiwilligkeit, Kompromisse einzugehen, zur Basis. Alles Unfreiwillige kann nur Makulatur sein und lediglich eine kurzfristige Zufriedenheit hervorrufen.
DER ANDERE VERSTEHT DICH NICHT
Meinungsverschiedenheiten sollten in einer zivilisierten Gesellschaft respektvoll ausgetauscht werden können. Jeder wirklich erwachsene Mensch ist in der Lage, eine andere Ansicht nicht nur zu akzeptieren, sondern sie überhaupt erst nicht in Frage zu stellen. Es ist völlig normal und auch so gewollt, dass Menschen sich unterscheiden, nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrem geistigen Bild. Was sonst sollte die Welt bunt machen? Angestrengte Toleranz hingegen ist ein Zeichen dafür, dass genau diese Legitimität für jeden, individuell sein zu dürfen, fehlt. Übergriffe, die anderen die eigene Meinung aufdrängen, können nur durch Menschen stattfinden, die zutiefst intolerant sind.
Dass unterschiedliche Meinungen, die absolut konträr zueinanderstehen, oftmals nicht passend gemacht werden können, ist letzten Endes so hinzunehmen. Nicht jeder Disput muss in einer Übereinstimmung enden, vor allem dann nicht, wenn er von einer der beiden Parteien eine Selbstlüge bzw. Selbstverleugnung fordern würde. Wird das nicht verstanden, kann das Ganze recht übel enden. Sobald eine Partei ihr intolerantes Gesicht zeigt, kann das das Aus für Freundschaften sein, von denen man glaubte, sie würden ein Leben lang halten. Krisen, wie zum Beispiel Corona, können dabei als Turbo wirken, weil sie Wahrheit regelrecht erzwingen.
Debatten können hitzig sein und werden manchmal durchaus aggressiv ausgetragen, je später die Stunde oder je tiefer das Glas, in das man dabei geschaut hat. Eine Streitkultur darf energisch sein, wenn sie auf einer respektvollen Basis fußt. „Normale“ Aggressionen, die den anderen in die eigene Meinung drängen wollen, müssen nicht sein, gehören aber nicht selten dazu. Inwiefern man sich dem aussetzt, kann dabei jeder für sich entscheiden.
Dann gibt es aber auch die Aggression, die dann aufkommt, wenn man sich vom anderen falsch verstanden fühlt oder wenn man den Eindruck hat, dass man nicht verstanden werden kann, dass es da also auf der anderen Seite entweder ein gewisses Unvermögen gibt oder ein absolutes Ablehnen. Es ist der Moment, in dem man das Gefühl hat, an eine Wand zu reden oder nicht ernst genommen zu werden, weil alles was man sagt, abgeschmettert oder sofort retourniert wird. Das sind die Momente, in denen man verzweifeln will, weil einem am Ende buchstäblich die Worte fehlen. Diese Augenblicke tragen ein hohes Aggressionspotential in sich, weil sie keiner Lösung zugeführt werden können. Jeder weitere Erklärungsversuch verschärft und verhärtet die Situation bis ins Unerträgliche hinein. Hier gibt es nur eine einzige Lösung: anhalten, aufhören, stoppen, der Situation vollständig nachgeben und absolut einsehen, dass jedes weitere Wort Öl aufs Feuer gießt. Nur das vollständige Verlassen der Situation, das Heraustreten aus dem gesamten Kontext und das komplette Loslassen des Wunsches nach Verstandenwerden kann hier die einzig gesunde Lösung sein.
DU FÜHLST DICH UNTER DRUCK
Der entspannte Mensch lebt kaum ausgeprägte Emotionswellen, während Stress an allen negativen Emotionen beteiligt ist. Der Entspannte ist mit sich und der Welt in Frieden. Für ihn ist alles gut so wie es ist. Der Gestresste hingegen verzweifelt an seinen eigenen Zielen, die, kaum erreicht, schon wieder nicht gut genug sind. Solange Mensch etwas anderes will, als er hat und ist, solange ist Stress da. Je unzufriedener du mit deiner Lebenssituation bist, desto höher dein Stresspegel.
Allein zu wissen, dass Stress der Auslöser deines Unwohlseins ist, ist nicht genug. Der Stress ist bis ins kleinste Detail zu hinterfragen, wenn er gelöst werden will. Es muss individuell herausgefunden werden, welches psychische Muster, welcher Glaubenssatz, welche Konditionierung dich in Anspannung versetzt, damit Entspannung eintreten kann. Ist Mensch gestresst, ist Aggression automatisch mit an Bord. Sofern sie nicht nach außen gezeigt wird, entlädt sie sich im Inneren, was zu noch mehr Druck führt.
Neben dem eigenen Ehrgeiz, dem Streben nach mehr (egal von was), der Gier nach besser, höher, weiter, spielen auch Mechanismen eine Rolle, die enger in Beziehung zur Außenwelt stehen. Da gibt es nicht nur die eigenen Wünsche, die man erfüllt sehen will, sondern manch einer ist obendrein bemüht, zusätzlich die Erwartungen anderer zu erfüllen. Oft muss er dabei seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen und eine Über-Anpassung leisten, die ihn auf Dauer aus seiner Mitte bringt. Der Druck erhöht sich dann, wenn er glaubt, weder dem einen, noch sich selbst gerecht werden zu können. Die Gefühle von Versagen und Nicht-richtig-machen-können erhöhen den Stress. Nicht wenige Menschen schlagen sich ihr Leben lang mit Autoaggressionen herum, die unterschwellig am Selbstbild kratzen.
Erleichterung tritt in diesen Psychogrammen nur dann ein, wenn die Erwartungen der anderen tatsächlich erfüllt werden konnten. Erst danach kommen Gut-Mensch und Helferlein wieder zur Ruhe; bis zum nächsten Mal. Diese bedauernswerten Sklaven profitieren durchaus von ihrem guten Ruf und vom Lob der anderen, was jedoch gleichzeitig ihre Abhängigkeit verdeckt. Dass diese Menschen gerne ausgenutzt werden bzw. sich benutzen lassen, ist nicht von der Hand zu weisen. Aus diesem Hamsterrad aussteigen zu können bedingt die glasklare Sicht auf die darunter liegende Konditionierung und die Mechanismen, die das Rad am Laufen halten. Solange du das Lob eines anderen brauchst und durch deinen guten Ruf in gewisser Weise eine Selbsterhöhung erfährst, bleibst du abhängig.
Ähnlich dem Menschen innewohnenden „Streben nach mehr“, spielt der Faktor „Zeit“ beim Entstehen von Stress eine tragende Rolle, vielleicht sogar die größte Rolle überhaupt. Dadurch, dass du dir eine Zukunft vorstellst, ergibt sich von der Gegenwart ausgehend eine fiktive Spanne zum Zeitpunkt „X“, der gedanklich antizipiert wird. Die Folge davon ist, dass automatisch eine Ungewissheit zwischen Status Quo und „X“ entsteht; ein Zeitraum, der außerhalb deiner Kontrolle liegt.
Würdest du nicht in die Zukunft blicken, dir quasi keine fernen Ziele setzen, entstünde keine stressige Unsicherheit. Das ist eine ganz einfache Tatsache. Doch der Mensch funktioniert nun mal in der Regel nach vorne gerichtet; zumindest noch in der ersten Hälfte seines Lebens. Beim Depressiven kann das übrigens umgekehrt sein: Er richtet seinen Blick gerne in eine Vergangenheit, die nicht mehr existiert, in der er aber lieber leben würde. Während Rückblick also depressiv machen kann, kann der Ausblick nicht nur Stress, sondern auch Angst mit sich bringen, die zum Stressverstärker wird.
Der Weg heraus aus diesem Mechanismus kann nur sein, deine Fokussierung nicht auf die extreme Zeitspanne zum fernen Ziel zu richten, sondern auf den gerade anstehenden Schritt im Jetzt. Wenn das Ziel einmal definiert und terminiert wurde, sollte es aus deinem Alltagsdenken verschwinden, damit sich die vorhandene Energie vollständig auf diesen einen Schritt entladen kann, der gerade getan wird. Das wirkt nachhaltig und stabilisiert deinen Organismus. Die volle Aufmerksamkeit bringt nicht nur Entschiedenheit mit sich, sondern gleichfalls ein Gefühl von Sicherheit. Das Vertrauen wird gestärkt, was zu Entspannung führt. Dein Blick sollte also nur zu Planungszwecken nach vorne gerichtet sein und sich dann wieder auf das Jetzt des Lebens konzentrieren.
Auch der alltägliche Antreiber „schnell, schnell noch dies oder das“, der das Maximum in einen kleinen Moment hineinpressen will, kann mit Bewusstheit auf das Jetzt des Tuns wieder in ein normales Verhältnis gebracht werden. Manchmal sorgt eine überschießende Energie dafür, dass Mensch auf höherer Drehzahl läuft. Eustress kann wie ein Tsunami sein, der in kürzester Zeit ganz viel entstehen lassen kann. Du fühlst dabei deine Lebensgeister und bist kreativ und freudig bei der Sache. Hier mit Vernunft einzugrätschen wäre schade. Dreht sich die Spirale dabei jedoch erschöpfend nach unten und sind weder Freude noch Lust an deinem Tun beteiligt, ist das ein Zeichen für Distress, der durch ein klares Stopp unterbrochen werden muss. Dann sollte ein ganz bewusstes Anhalten stattfinden, damit du wieder in den jetzigen Moment und damit zu dir selbst kommen kannst. Hierzu ein kleines Ritual zu erfinden, kann unterstützend und präventiv wirken. Hinter dem Antrieb „Schnell-Schnell“ wirkt übrigens ein Zuviel an Wollen, eine Gier also, die über das gesunde Maß hinausschießt.
DU FÜHLST DICH HILFLOS
Wenn dem Menschen seine Grenzen aufgezeigt werden, entsteht das Gefühl von Machtlosigkeit. Es ist der Ausdruck tiefster Angst. Nichts bringt dich mehr aus der Fassung, als dort anzukommen, wo nichts mehr möglich ist. Es ist der grausame Ort der Ausweglosigkeit, an dem es keine Lösungen oder Ideen mehr gibt, weil alles schon versucht wurde. Da sind nur noch Ohnmacht und Erschöpfung. Je mehr sich das Ego dabei im Widerstand befindet, desto stärker die Aggression. Wenn sie nicht vernünftig kanalisiert werden kann, wird Bereitschaft zur Gewalt freigesetzt, die sich dann entweder gegen die richtet, denen man die Schuld gibt oder sie entlädt sich in Selbstverletzungen. Dabei könnte alles so einfach sein.
Ist es der geheime Wunsch des Egos, (wie) Gott sein zu wollen, der es dir so schwer macht, deine Begrenzung zu akzeptieren? Würde vielleicht mehr Demut und Dankbarkeit für das, was du hast und bist Erleichterung verschaffen? Selbst wenn du letzten Endes tatsächlich Gott bist, kannst du in deinem Menschenkleid buchstäblich nicht aus deiner Haut. Mit Nachsicht und Verständnis auf diese Tatsache zu reagieren, nimmt den Wind aus den Segeln. Der Kurswechsel kann dann gelingen, wenn du die auslösenden Momente aufdeckst und das Paradigma deiner Einstellung ganz bewusst veränderst. Dein Psychogramm kennt diverse Situationen, die aufgrund deiner Konditionierung zum Auslöser für Ohnmachtsgefühle (und alles andere) werden. Nur durch deine bewusste Auseinandersetzung mit ihnen ist Veränderung möglich. Die natürliche Grenze des Menschseins bleibt; aber innerhalb dieser kannst du all das optimieren, was du ans Licht bringst. Dazu sind absolute Ehrlichkeit und die Bereitschaft, wenn notwendig zu leiden und Schmerz zu ertragen, Voraussetzung.
Schau dir also an, was genau dich in das Gefühl der Machtlosigkeit treibt. Außer all die Dinge, die nicht so laufen wie du willst, sind es vielleicht auch Situationen, in denen andere nicht machen, was du ihnen sagst und deine Anweisungen nicht befolgen. Wenn dann weder Sanktionen noch Motivationen und sonstige Überredungskünste den gewünschten Erfolg bringen, stellt sich nicht nur Wut ein, sondern auch Gefühle der Hilflosigkeit und des Versagens. Wenn nicht einmal der Hund macht, was du willst, kann es mit deiner Überzeugungskraft nicht weit her sein. Manchmal fehlt einfach das Selbstvertrauen, dass das was du forderst auch tatsächlich richtig und notwendig ist. Es ist also zu hinterfragen, inwiefern du dir selbst sicher bist und was dich daran hindert, für dich selbst einzustehen. Manchmal ist es die Angst vor Leid, die dich davon abhält, dich durchzusetzen; und das bezieht sich auf die Vermeidung deines eigenen Leids genauso, wie auf dein Bemühen, anderen Leid ersparen zu wollen.
Auch die Ablehnung, Macht auszuüben und andere zu etwas zu zwingen, kann Hintergrund fehlenden Durchsetzungsvermögens sein. In diesem Fall bewertest du Macht ausschließlich negativ. Es kann aber manchmal dringend notwendig sein, Macht auszuüben, nämlich in dem Moment, wo es um Schutz geht. Ein machtvolles „Nein“ ist zum Beispiel dann gefragt, wenn eine reale Gefährdung bzw. Gefahr besteht.
Andersherum kann Ohnmacht entstehen, wenn du das Gefühl hast, einer Person oder Situation ausgeliefert zu sein. Das kann passieren, wenn jemand etwas von dir will und du nicht „nein“ sagen kannst oder du in eine Situation hineingezwungen wirst, weil du einem anderen einen Gefallen tun willst. Das sind die Momente, in denen du nicht zu dir selbst stehst, also eigentlich nicht aufrichtig bist. Wenn du das immer wieder tust, es ein sich wiederholendes Muster ist, verfestigt sich beim anderen die Überzeugung, dass du das gerne machst, was du für ihn tust. Es ist immer wieder ein leidvolles Erwachen in einer Beziehung, wenn erst nach vielen Jahren ans Tageslicht kommt, dass der eine es dem anderen immerzu nur rechtmachen wollte, während der andere das überhaupt nicht erwartet hat. Das ist ein fast schon alltägliches Missverständnis, das auf Dauer garantiert jede Beziehung zerstört, wenn es nicht angesprochen wird. Warum und wozu du dich freiwillig aufopferst und was du dir insgeheim dadurch erhoffst, sollten in diesem Fall deine Fragen sein.
Manchmal ist der Druck, andere nicht enttäuschen zu wollen, so ausgeprägt, dass du komplett an dir selbst vorbei lebst. Dein Antrieb ist dein Wunsch nach Liebe; du glaubst, du müsstest dich anstrengen, um geliebt zu werden. Dieses traurige Muster ist oft gekoppelt an Schuldgefühle, die sofort dann auftreten, wenn der andere scheinbar nicht ausreichend von dir bedient werden konnte. Leider nutzt dieser Andere in seinem Gegenpart gerne das Gefühl von Unzulänglichkeit aus, um mehr aus seinem Opfer herauszupressen. Der Druck, dem dieses dabei ausgeliefert ist, kann immens sein und entlädt sich in Selbstvorwürfen, Versagensgefühlen, Aggressionen, bis hin zu Selbsthass. Für diesen Menschen kann nur die tiefe und sehr schmerzhafte Erkenntnis, dass er niemals etwas tun muss, um geliebt zu werden, Erlösung bringen.
DU WILLST DEINE RUHE HABEN
Auch der friedliche Wunsch nach Ruhe kann Aggression in sich tragen und das nicht nur dann, wenn ihm nicht nachgegeben wird. Wenn du müde bist und schlafen willst, kann die kleinste Störung einen Tsunami auslösen. Das gleiche kann passieren, wenn du zu viel von dir verlangt und deine rote Linie überschritten hast, was in den meisten Fällen an dir selbst liegt. Die Sehnsucht nach Ruhe ist nicht mit dem Wunsch nach Entspannung gleichzusetzen, der ganz natürlich auf Anspannung folgt. Der Raubbau, den du mit dir selbst betreibst, weil du die Wünsche und Erwartungen anderer nicht ignorieren kannst, führt zum Verlust deiner Stabilität; du verlierst deine Mitte. Die tiefe Sehnsucht nach Ruhe ist ein Zeichen dafür, dass das Ende der Fahnenstange längst erreicht ist.
Was diesem instabilen Zustand vorausgeht ist deine Verausgabung im „Funktionieren-Modus“. Das ist der Automatismus, der sich dann selbst einschaltet, wenn du bereits überläufst. In diesem Zustand emotionaler Distanz, nimmst du weder körperliche Beschwerden wahr, noch lässt du Gefühle zu. Das Erkennen dieser Tatsache solltest du als Wake-Up-Call verstehen, der die Bewegung der Stressspirale in Richtung Burnout stoppen kann. Dir mehr Bewusstheit darüber zu verschaffen, wie du in solchen Momenten funktionierst, sollte dein Weg zur Heilung sein. Nur das rechtzeitige Wahrnehmen, dass du längst dabei bist, Dinge nur noch aggressiv abzuarbeiten und abzuhaken und die Freude am Tun dabei völlig verloren hast, kann dich vor Burnouts bewahren. Im übrigen wirken aggressive Entladungen in solchen Fällen de-eskalierend und schützend. Sie sind in dieser Hinsicht ebenfalls als dringender Weckruf zu verstehen.
Die entscheidende Frage für dich ist, ob solche Momente einen wirklich notwendigen Hintergrund haben, ob du dich also real in einer Herausforderung oder Notsituation befindest und tatsächlich funktionieren musst. Harte Zeiten gehören zum Leben, wenn sie sich auf Phasen reduzieren, die sich immer wieder durch ganz natürliche Entspannung ausgleichen können. Wenn du aber spürst, dass deine Momente aggressiver Anspannung immer wieder auch ohne offensichtliche und nachvollziehbare Gründe auftauchen, wenn du dich öfter schlaff und kraftlos fühlst, solltest du dich intensiv mit den zugrundeliegenden Auslösern befassen, die höchstwahrscheinlich psychischer Natur sind. Die Überzeugungen und Glaubenssätze, die dich immer wieder scheinbar grundlos dazu zwingen dich zu verausgaben, sind ans Licht zu holen. Vielleicht findest du dabei heraus, dass du erst dann wirklich zur Ruhe kommen kannst, nachdem du die Bedürfnisse anderer erfüllt hast. Möglicherweise wird dir dein Wunsch nach gelobt werden oder dich opfern zu wollen bewusst oder deine Überzeugung, dir Erholung verdienen zu müssen. Was auch immer dein Motiv ist, es ist auf jeden Fall nicht wahr; der stille Genuss des Lebens ist bedingungslos und umsonst.
WELCHE BOTSCHAFT TRÄGT DEINE AGGRESSION IN SICH?
Letztendlich ist Aggression Selbsthass. Er entsteht, wenn du das Gefühl hast versagt zu haben, wenn du spürst, dass du nicht in der Lage bist „aus deiner Haut zu fahren“ und deine psychischen Grenzen zu sprengen. Alles was im Außen geschieht ist Reflektion, die dich auf dich selbst verweisen will. Der Hass, den du gegen etwas oder eine andere Person richtest, ist der Hass, den du dir unbewusst selbst gegenüber empfindest. Wenn du an dem Punkt ankommst, wo du verstehst, dass der andere nur dazu da ist, dir zu zeigen wer du bist, wirst du die Sinnlosigkeit des oberflächlichen Ego-Spiels, genannt „Mein Leben“, erkennen. Es geht niemals um die Probleme, die du mit anderen hast, sondern nur und ausschließlich um die, die du mit dir selbst hast. Der andere ist immer nur Mittel zum Zweck, so wie du Mittel zum Zweck des anderen bist. Solange dieser Mechanismus unbewusst bleibt, sind soziale Probleme und damit ständige Aggressionen Alltag.
Die Aggression ist da, um dich auf diese Wahrheit hinzuweisen. Sie ist eine starke Emotion, die zum Innehalten zwingt, weil sie dich für einen Moment rational ausbremst. Dieses Vakuum bietet dir die Möglichkeit, dich zu sammeln und deinen Blick auf dich selbst zu richten. Doch jeder gewissenhafte Mensch möchte Aggressionen vermeiden und kontrolliert deshalb sein Verhalten. Letztendlich tut er sich aber mit dieser Unehrlichkeit keinen Gefallen. Wenn er seine negative Tendenz ins Unbewusste verschiebt, wird sie sich dort in Selbsthass verstärken und sich durch psychosomatische Beschwerden im Körper ausagieren.
Die Aggression ist ein Korrektiv, das dich wieder auf deine eigene Wahrheit ausrichten will. Dieser Schrei der Seele ist die letzte Instanz, bevor deine Plattform zu kippen beginnt und du zu fallen beginnst. Die Aggression kann dein Schutzengel sein und wenn du genau in sie hineinschaust und deine persönliche Botschaft erkennst, kannst du sie willkommen heißen.
Grundlegendes Ziel jeder Aggression ist die Erfüllung der Sehnsucht nach Ruhe und Frieden. Das ist der Zustand, in dem du ganz bei dir bist, weil du alles „ge-lassen“ hast. Da ist keiner mehr, der etwas von dir will, alle Aufgaben sind erledigt. Du bist frei und kannst tun oder nicht-tun was du möchtest, während die Außenwelt nicht mehr zu existieren scheint. Die wichtige Frage ist, ob du wirklich erst dann in diesen Zustand kommen kannst, wenn du deiner Konditionierung entsprochen hast. In diesem Fall würde das bedeuten, dass innerer Frieden nur dadurch in dir entstehen kann, dass du andere „bedient“ hast. Dass dich das automatisch zu deren Sklaven macht, ist offensichtlich. Hermann Hesse sagte, dass es einer Vergewaltigung gleichkomme, wenn man anstelle eines persönlichen Gewissen ein kollektives setzen wolle und dass dies der erste Schritt zu allem Totalitären wäre. Dieses Zitat scheint sich gerade jetzt, in Zeiten Corona, zu bewahrheiten.
Aggression verweist dich auf dein Gewissen, ein Synonym für deine innere Wahrheit, die allein dich in deinen Frieden führen kann. Aggression entsteht vor allem dann, wenn das Außen zu viel Macht über dich hat, wenn andere (oder dein eigener "Innerer Richter" = Ego) über dich bestimmen, wenn du deine "wahre" Stimme nicht mehr hörst. Wenn also Aggression in dir freigesetzt wird, dann frage dich, wo du dich unfrei fühlst, woher diese Enge kommt, wie sie entsteht und wer oder was etwas damit zu tun hat. Welche Gedanken zwingen dich von dir fort, welche Überzeugung vertreibt dich aus deiner Mitte? Deiner Aggression nachzuspüren und ihre Botschaft zu erkennen setzt das Potential frei, das von dir gelebt werden will.
AUFLÖSUNG
Was auch immer du ans Licht holst wird sich selbständig auflösen, weil ein automatischer Loslass-Prozess freigesetzt wird, wenn du bis in die tiefste Tiefe der Ursache deiner Aggression abgetaucht bist. Loslassen als solches kann niemals aktiv betrieben werden. Alle Seminare oder Übungen dazu sind Makulatur. Wie teuer auch immer dein Loslass-Kurs gewesen sein mag, er kann nicht funktionieren, wenn das Problem, die zugrunde liegende Konditionierung, nicht komplett ans Licht geholt werden konnte. Wie das leidige Unkraut, das sich immer wieder auf den fein säuberlichen Rasenanlagen verbreitet, so verfolgt dich dein Thema, wenn es nicht vollständig, also mit der gesamten Wurzel, ausgerissen wurde.
Loslassen ist eine Befreiung und sie tritt dann ein, wenn du die Mühen einer ehrlichen Reflektion nicht gescheut hast. Es ist die Belohnung für deine unerbittliche Arbeit, die du dir absolut verdient hast. Nichts bedeutet mehr Glück im Leben, als die Freiheit von aggressiv-negativen Tendenzen. Sich von seiner hässlichsten Seite gesehen zu haben, trägt so viel Schönheit in sich, die niemals durch Äußerlichkeiten gewonnen werden kann. Das Strahlen der Menschen, die frei von Selbstlüge und Selbsthass sind, ist nicht zu übersehen. Es ist klar, dass dieser Weg der Wahrheit für jedwedes Thema zur Verfügung steht, das dich in deinem Leben belastet. Wahrheit macht frei, weil sie Konditionierung löscht. Frei von Konditionierung zu leben bedeutet, das was du bist zu sein.
IM GLEICHKLANG DES LEBENS
Wenn dich das Buch so weit in deiner eigenen Reflektion begleitet hat, dann hast du vielleicht selbst schon die tiefste Ursache allen Übels entdeckt. Im Grunde wurde sie bereits im ersten Kapitel genannt: der Eigenwille, das Ego, das Ich, welches den Willen in sich trägt. Etwas unbedingt zu wollen, birgt Gier und Dominanz in sich bzw. wird durch sie motiviert. In jedem Wollen steckt der Versuch, Gott zu spielen. Daran ist insoweit nichts Falsches, wenn das, was du willst, dem Leben entspricht. Oder anders ausgedrückt: Läuft das, was du willst oder dir wünschst analog mit dem, was das Leben für dich parat hat, dann mag „dein Wille geschehen“.
Entsteht Aggression in dir, ist das ein Zeichen dafür, dass das Leben dir etwas nicht gibt, was du gerade willst. Das heißt im Umkehrschluss, dass du frei von Aggression bist, wenn du mit dem Leben gleich schwingst. Im Gleichklang sein bedeutet Frieden. Deinen emotionalen Absturz läutest du schließlich dadurch ein, dass du dich dem Fließen des Lebens entgegenstellst und Widerstand übst. Du erschaffst also, wie alles im Leben, deine Depression selbst. Nur im Einklang mit allem was ist kann sich Liebe zeigen.
Nun liest du in vielen esoterischen Büchern, Ratgebern oder hörst von Mental oder Life Coaches, dass du der Schöpfer deines Lebens bist, was du nicht wirklich sein kannst. Richtig ist, dass du der Schöpfer deiner Lebenssituation bist, und das schließt natürlich nicht nur das Schöne ein, sondern auch das, was dir daran nicht gefällt und was dich unglücklich macht. Deine Schöpfung hängt von deinem Bewusstsein bzw. deiner Bewusstheit ab. Je unbewusster du handelst, desto mehr wird sich dein Unglück anhäufen, weil du dich in der Außenwelt projektiver Schuldzuweisungen verlierst. Doch wenn du deine eigenen Schatten aufgedeckt und dadurch erkannt hast, dass das Außen nicht wirklich an deiner Situation „Schuld trägt“, kommst du in die Lage, „reinen Herzens“ zu wirken. Das bedeutet, dass du dann selbstverantwortlich aus dir heraus agierst. Es ist dann nicht dein Wille, sondern deine innere Wahrheit, die aus dir heraus spricht und dir den Weg weist. Du schwingst dann mit dem Leben, das du selbst bist, gleich. Die Wahrheit findet in deiner Sehnsucht Ausdruck und sie kann per se kein wirkliches Unglück bringen, schließt aber Herausforderungen, die dich stärken, nicht aus.
Dein Wille allein hat also keinerlei Macht. Er setzt sich nur dann durch, wenn er mit dem Leben übereinstimmt. Tut er das, ist er kein Eigenwille mehr, sondern die Wahrheit, die du bist, das offene Geheimnis, das niemals gewusst werden kann. Der Mensch bewegt sich natürlicherweise im Netz der Lebensgesetze, nach denen diese phantastische Welt funktioniert; da ist Dualität (Trennung) und Polarität (Wertung). Im Gut und Böse läufst du auf der internalisierten Spur deiner Konditionierung, die dich von der Wahrheit, die du bist, wegführt. Dich an sie zu erinnern, sie wieder zu spüren und wahrzunehmen ist deine Lebensaufgabe. Sie führt dich automatisch in die Willenlosigkeit, wenn du bereit bist in deinen Spiegel zu schauen und dich selbst zu erkennen. Hingabe ist Liebe. Sie macht Eigenwillen unmöglich. Es gibt keinen Verlust und nichts ist zu befürchten, wenn du erkennst, dass es nicht darum geht, geliebt zu werden, sondern Liebe zu sein.